Warum ich ein persönliches Notizsystem aufgebaut habe
Während meines WOL Zirkels Anfang 2020 habe ich mich intensiv mit dem Thema Lernen beschäftig. Natürlich habe ich dazu mit vielen Menschen gesprochen, mir Vorträge angehört, Artikel und Bücher gelesen. Dabei habe ich mir auch viele Notizen gemacht oder Screenshots gespeichert. Zunächst nutzte ich OneNote oder sammelte Informationen in PowerPoint Präsentationen. Einige interessante Links speicherte ich ab, jedoch bei weitem nicht alle.
In Woche 9 des WOL Zirkels kam natürlich die Übung, die Top 10 Ressourcen zum eigenen Lernziel zu teilen. Da meine Notizen, keine klare Struktur hatten fehlten mir bei vielen der Quellen, die ich gesammelt hatte, die Quellenangaben. Interessanten Links fand ich nicht wieder. Somit konnte ich meine Aufgabe die Top 10 zu teilen nicht abschließen. Auch wenn ich Kollegen von Artikeln, die ich gelesen hatte, erzählte, konnte ich diese nicht teilen oder musste zunächst auf die Suche gehen. Bei einigen Screenshots fehlte mir neben der Quelle auch der Kontext, so dass später nicht mehr alles nachvollziehbar war.
Um diese Situation für mich zu verbessern entschloss ich mich, dass mein nächstes Lernthema das persönliche Wissensmanagement (Personal Knowledge Management, PKM) werden würde. Ein Kollege wies mich dann noch auf Nicklas Luhmann hin, der unter anderen für seinen Zettelkasten bekannt war. Dadurch bin ich recht schnell auf das Buch „Das Zettelkasten-Prinzip: Erfolgreich wissenschaftlich Schreiben und Studieren mit effektiven Notizen“ gestoßen, welches ich kurz darauf las.
Ich entschloss mich eine Art digitalen Zettelkasten zu erstellen. In solch einem System sind die Notizen nicht hierarchisch wie in z.B. OneNote abgelegt, sondern als ineinander verwobenes Netzwerk. Durch die Anwendung einiger der Zettelkastenprinzipien wollte ich es schaffen, die für mich interessanten und relevanten Informationen abzulegen. Diese sollen verständlich, dauerhaft, gut auffindbar, verschlagwortet und untereinander verlinkt gespeichert werden. In meinen Zettelkasten würde ich Konzepte, Ansätze und Methoden zu meinen verschiedenen Lernthemen sammeln und daraus mehr Nutzen ziehen zu können. Zum Beispiel nutzt dieser Blogbeitrag allein ca. 16 Notizen aus meinem Notizsystem. Auch der Artikel selbst ist Teil des Systems.
Was mache ich mit den Notizen
Ich nutze mein Notizsystem, wie man heute sagt als „Second Brain“. Das Gehirn ist leider nicht sehr zuverlässig darin große Mengen an Fachinformationen dauerhaft zu speichern. Daher lege ich diese nun strukturiert und wiederverwendbar in meinem Zettelkasten ab. Wenn ich Notizen mit anderen Themen vernetze, kann ich neue Zusammenhänge besser erkennen, Assoziationen bilden oder mir kommen ganz neue Ideen, auf die ich sonst nicht gekommen wäre. Hier hilft mir die Arbeit mit dem Zettelkasten, da ich so häufiger Beziehungen zwischen Themen bilden kann.
Und weil wir nicht nur viel vergessen, sondern auch unsere Erinnerungen nicht allzu verlässlich sind, gilt das auch für uns im Einzelnen: Die Entwicklung von Gedanken über längere Zeiträume ist nur möglich, wenn sie auf dem Papier stattfindet.
Ahrens, 2017, Das Zettelkastenprinzip
Natürlich kann ich auch während der Arbeit aus meinem persönlichen Wissensmanagement schöpfen oder wie hier Inhalte für meine Blogbeiträge wiederverwenden. Nicht zuletzt kann ich so auf Konzepte von gelesenen Büchern zurückgreifen und in einzelne Aspekte der Bücher eintauchen, ohne das Buch nochmal lesen zu müssen.
Wie erstelle ich meine Notizen
Warum kurze Notizen
Ich versuche kurze und in sich geschlossene Notizen zu erstellen. Jede Notiz soll dabei möglichst nur einen Gedanken bzw. ein Konzept beinhalten. Die Notizen sollen auch ohne einen größeren Kontext z.B. einem Artikel verständlich sein. Wenn ich mir in Büchern digital Markierungen gemacht habe, speichere ich diese ebenfalls als Zitat mit in den Notizen ab.
Jede Notiz hat sprechende Überschriften, die es mir später ermöglichen sehr schnell zu erfassen, worum es geht. Durch klare Quellenangabe kann ich bei Bedarf immer Details in der Quelle nachschlagen oder diese mit anderen Teilen.
Warum selbst formulierte Notizen wichtig sind
If you can’t say it clearly, you don’t understand it yourself.
John Searle
Wenn ich Notizen beim Lesen anfertige, reflektiere ich das gelesene intensiver. Ich muss das Wissen aktiv anwenden um die Notiz zu formulieren. Dadurch verarbeite und durchdenke ich das aufgenommene Wissen intensiver. Wenn man ein Konzept nur liest, hat man häufig den Eindruck, dieses sehr gut verstanden zu haben. Oft erkennt man aber erst ob man es wirklich verstanden hat, wenn man es mit einfachen eigenen Worten wiedergeben kann. Die Wahrscheinlichkeit steigt, dass ich die gelesenen Informationen als aktives Wissen aufnehme.
Wie ich mein Notizsystem zum Lernen nutze
Echtes Denken findet auf dem Papier statt
Ahrens, 2017, Das Zettelkastenprinzip
Der erste Schritt ist, dass ich aufmerksamer lese, weil ich bereits beim Lesen überlege, welchen Aspekt ich in mein Notizsystem überführen möchte. Diese Markiere ich und erstelle später aus diesen Markierungen Notizen. Hier findet eine aktive Anwendung des Wissens statt. Zusätzlich überlege ich, womit ich meine Notizen vernetzen kann. Beim Vernetzten mit anderen Notizen werden manchmal Zusammenhänge zwischen Konzepten klarer. Außerdem finde ich immer wieder zufällig alte Notizen, die mir so wieder ins Gedächtnis gerufen werden.
Durch die Möglichkeit mir zufällige Notizen anzeigen zu lassen, finde ich Informationen wieder, die schon fast vergessen waren. Es entsteht eine Art Spaced Repetition System – in unregelmäßigen Abständen gehe ich alte Notizen wieder durch. Hatte ich beim Erstellen der Notiz noch keine guten Vernetzungen zu anderen Notizen erstellt, gibt es heute vielleicht neue Inhalte und es ergeben sich neue Vernetzungen.
Verwendete Tools
Zunächst wollte ich mit Microsoft OneNote starten, um einen Zettelkasten aufzubauen, was jedoch nicht sehr gut funktionierte. Zusätzlich brachte mich ein Kollege auf das Thema des Vendor Lock-In. Sind die Daten einmal in OneNote, bekommt man sie ohne größeren Aufwand nicht mehr aus dem System heraus. Da ein Zettelkasten auf Dauer angelegt wird, sollte es ein Format sein, welches nicht Abhängig von einer bestimmten Firma ist. So stieß ich auf verschiedene Tools die Markdown als Dateiformat nutzen.
Bei Markdown handelt es sich um einfache Textdateien die sehr einfache Formatierungen unterstützt. Aktuell nutze ich zwei Tools, die eine sehr gute Unterstützung für Markdown bieten und Zettelkastenfunktionen enthalten. Obsidian und Zettlr. Beide Tools haben ihre individuellen Vorteile und Herausforderungen für mich, aber in Kombination bin ich sehr zufrieden mit meiner Lösung.
Wie ich einfach Inhalte in Markdown übernehmen kann
Textstellen aus eBooks: Kindle & Kindle App
Meist lese ich eBooks auf meinem Kindle oder in der Kindle App. Dort kann man recht einfach Textstellen markieren. Über die Notizen Seite von Kindle kann man einfach auf diese Textpassagen zugreifen und diese kopieren.
In der Regel übernehme ich alle Markierungen in mein Notizsystem. Um dies möglichst einfach zu erledigen nutze ich das Tool „Roam Highlighter„, welches als Erweiterung für den Chrome Browser verfügbar ist. Damit lassen sich alle Notizen eines Buches auf einmal per Copy & Paste in ein für mich passendes Markdown Format übertragen und in meinen persönliches Wissensmanagementsystem überführen.
Textstellen aus Webseiten
Bei interessanteren Artikeln im Internet nutze ich ebenfalls das Tool Roam Highlighter. Mit diesem lassen sich Textpassagen der Webseite beim Lesen hervorheben und exportieren. Dazu markiert man einfach Texte mit der Maus und erzeugt mit Strg-X eine Markierung. Die Passagen lassen sich dann ebenfalls als Markdown inkl. Quellangabe kopieren.
Notizen bei Hörbüchern und Podcasts
Auch hier habe ich einen guten Workflow für mich gefunden. Durch die Nutzung der App Airr (aktuell nur für iPhones verfügbar) lassen sich sehr komfortabel Notizen beim Hören von Podcasts erstellen und später exportieren. In der Audible App gibt es ebenfalls eine Notizfunktion, aber leider fehlt hier die Möglichkeit für Exporte.
Etwas genauer habe ich diesen Workflow letztes Jahr in einem LinkedIn Artikel zusammengefasst: How to take notes while listening to audio books or podcasts
Weitere Links
- Buchempfehlung: Das Zettelkasten-Prinzip: Erfolgreich wissenschaftlich Schreiben und Studieren mit effektiven Notizen von Sönke Ahrens
- Zwischen zwei Deckeln Podcastfolge zum Buch „Das Zettelkasten-Prinzip“
- Holger Moller zu seiner Suche nach einer passenden Lösung für einen Umstieg von Evernote: Evernote Forever
- Ragnar Heil mit einem Vergleich verschiedener Tools um einen Zettelkasten abzubilden: Luhmann Zettelkasten: My New Year’s Resolution
- David Lohner über seinem Weg zu Obsidian: Notizen für Wissensarbeiter*innen und das Video Notizen machen, aber richtig – Vom Schmierzettel zum vernetzten Knowledge-Graph
- Anne-Laure Le Cunff auf NessLabs: Einen Digitalen Garten anlegen – wie man einen öffentlichen Zettelkasten anlegen kann How to set up your own digital garden
Verwandte Artikel:
- Artikel: Lesen als Lernmethode
- Podcast: Lernen durch Bloggen und Schreiben
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